Also ich habe mit einem Mitarbeiter der Unfallkasse RLP e-mail Kontakt gehabt und mit einem Mitarbeiter der FUK Nord telefonisch über die Thematik geredet. Außerdem war dies auch Thema auf meinem F-IV Lehrgang in der vergangenen Woche an der HLFS in Kassel.
Das von mir oben angegebene Schreiben der UK RLP ist echt, wurde jedoch wegen vieler Mißverständnisse umformuliert. Dazu aus der email:
[...] "Die Unfallverhütungsvorschrift (UVV) „Feuerwehren“ dient ausschließlich dem Zweck,Gefahren von den Feuerwehrangehörigen (versicherte Personen) abzuwehren.
Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren gegenüber Dritten sind hier nicht geregelt.
Nach § 17 (1) Satz 2 dieser Vorschrift kann im Einzelfall bei Einsätzen zur Rettung von Menschenleben von den Bestimmungen der Unfallverhütungsvorschriften abgewichen werden.
Hier ist der Einzelfall eines „rechtfertigenden bzw. entschuldigenden Notstandes“ gemeint. Nach Abwägung aller erkennbaren Risiken und der gebotenen Möglichkeiten darf nur dann von den
Unfallverhütungsvorschriften abgewichen werden, wenn dies für die Rettung von Menschenleben nötig ist.
Die Regelung dient also in erster Linie den Einsatzleitern, konsequent vor dem Hintergrund einer entsprechenden Lage notwendige Maßnahmen zu ergreifen, bei denen wegen einer Menschenrettung ein unkonventionelles Vorgehen erforderlich ist. Solange eine Abwägung zwischen erkennbaren Risiken für die Einsatzkräfte und gebotenen Möglichkeiten gegeben ist, also der Grundsatz:„Eigenschutz geht vor Fremdschutz“ im wesentlichen beachtet wird, werden auch die Schutzziele der UVV „Feuerwehren“ erfüllt.
Abweichungen von den Vorschriften bei Organisation und Ausrüstung unter Hinweis auf die hier behandelte Klausel sind hingegen nicht zulässig." [...]
Das Gespräch mit der FUK Nord ergab, daß der Passus mit dem Abweichen vor allem für die Situationen gedacht ist, in denen Dinge wie überstehende Sprossen einer Leiter nicht gewährleistet sind, oder ähnliches.
Auch hier ist wichtig, daß Menschenrettung nicht bedeutet, daß alles unternommen werden muß, auch unter Mißachtung der UVV. Es bedeutet, daß wenn eine sichere Rettung möglich ist, welche jedoch nicht UVV konform geschehen kann, dieses Vorgehen dennoch von der Versicherung als UVV konform betrachtet wird.
Ein Verzicht auf den Sicherheitstrupp ist nicht ausgenommen, doch stellt dieser in jedem Fall eine große Gefährdung der Kräfte dar, während eine Leiter mit nur 2 Sprossen Überstand idR genauso sicher sein wird, wie eine mit 3.
Der Einsatzleiter darf auf den Sicherheitstrupp verzichten, doch nur wenn die Gefahren sorgfältig abgewogen sind.
z.B.
Wenn eine Feuerwehr mit nur 2 tauglichen Trägern an der EST ankommt, darf der El die beiden nicht automatisch einsetzen um Menschen zu retten, er darf dies nur wenn die Gefahr für den Trupp dies zuläßt. Wenn alles gut geht, fein. Wenn dem Trupp was passiert, kommt die Frage, warum waren nur zwei tauglich, denn das bedeutet, daß es sich nicht um den Fall des §17 handelte, in dem es um den Einzelfall geht. Der Verantwortliche für die Wehr wird also Probleme bekommen, und der EL evtl auch. Die UK kann beispielsweise geleistete Zahlungen zurückfordern, denn zahlen wird sie auch in einem solchen Fall erstmal.
Überlegungen mit einem Sicherheitstrupp auf der Anfahrt zählen nicht, denn der Sicherheitstrupp ist ein bereitstehender Trupp an der EST.
Die FwDv 7 regelt übrigens kein Abweichen von irgendwelchen Regeln zur Menschenrettung, hier findet sich bei den Einsatzgrundsätzen folgendes:
· An jeder Einsatzstelle muss für die eingesetzten Atemschutztrupps mindestens ein Sicherheitstrupp (Mindeststärke: 0/2/2) zum Einsatz bereit stehen. Je nach Risiko und personeller
Stärke des eingesetzten Atemschutztrupps wird die Stärke des Sicherheitstrupps erhöht. Dies gilt insbesondere bei Einsätzen in ausgedehnten Objekten, beispielsweise in Tunnelanlagen und in Tiefgaragen. Der Sicherheitstrupp muss ein entsprechend der zu erwartenden Notfalllage geeignetes Atemschutzgerät tragen.
· An Einsatzstellen, an denen eine Gefährdung von Atemschutztrupps weitestgehend auszuschließen oder die Rettung durch einen Sicherheitstrupp auch ohne Atemschutz möglich
ist, beispielsweise bei Brandeinsätzen im Freien, kann auf die Bereitstellung von Sicherheitstrupps verzichtet werden.
· Gehen Atemschutztrupps über verschiedene Angriffswege in von außen nicht einsehbare Bereiche vor, soll für j e d e n dieser Angriffswege mindestens ein Sicherheitstrupp zum
Einsatz bereitstehen. Die Anzahl der Sicherheitstrupps richtet sich nach der Beurteilung der Lage durch den Einsatzleiter.
· Jeder Atemschutzgeräteträger des Sicherheitstrupps muss ein Atemschutzgerät mit Atemanschluss angelegt, die Einsatzkurzprüfung durchgeführt sowie nach Lage weitere Hilfsmittel (zum Beispiel Rettungstuch) zum sofortigen Einsatz bereitgelegt haben. Es kann angeordnet werden, dass der Atemanschluss noch nicht angelegt, sondern nur griffbereit ist.
die Begriffsbestimmungen sagen:
Sicherheitstrupp
Der Sicherheitstrupp ist ein mit Atemschutzgeräten ausgerüsteter Trupp, dessen Aufgabe es ist, bereits eingesetzten Atemschutztrupps im Notfall unverzüglich Hilfe zu leisten.
Sicherheitstrupps können auch mit zusätzlichen Aufgaben betraut werden, solange sie in der Lage sind, jederzeit ihrer eigentlichen Aufgabe gerecht zu werden und der Einsatzerfolg dadurch
nicht gefährdet ist.
Laut FwDv 7 muß auch bei Menschenrettung ein Sicherheitstrupp bereitstehen.
Die UK sind die Versicherungen, die zahlen, wenn uns was zustößt, um die kosten in Grenzen zu halten erlassen sie die UVV, die regelt, wie man handeln muß, um im Unglücksfall versichert zu sein. Die UVV bietet deswegen ein Höchstmaß an Sicherheit, das zu erreichen wir bestrebt sein sollten. Im Sonderfall der Feuerwehr gibt es Situationen, die dieses Höchstmaß nicht zulassen, wenn wir unserem Auftrag nachkommen. Diese Situationen kann man allerdings vermeiden (Ausrüstung, Ausbildung). Sollte trotz dieser Bemühungen ein Fall (EINZELFALL) auftreten, in dem der volle Umfang der UVV nicht gewährleistet werden kann, nämlich um ein MENSCHENleben zu retten, dann darf der EL von den Regeln der UVV abweichen, ohne daß der Vesicherungsschutz erlischt. Um dieses Abweichen aber zu begründen reicht es nicht aus, daß der EL erkennt, daß noch Menschen zu retten sind. Wenn ich z.B. wegen mangelhafter Schutzausrüstung (das ist übrigens kein EINZELFALL, da der Zustand längeranhält) in jedem Fall mit Verletzungen rechenen muß, ist mein Spielraum um im Falle einer Menschenrettung auf einen Sicherheitstrupp zu verzichten von vorneherein stark eingeschränkt. Gerade hier müssen Überlegungen wie ein evtl zu risikofreudiges Verhalten der Trupps berücksichtigt werden, mit der Folge, daß ich bei der Menschenrettung viel dringender einen Sicherheitstrupp benötige als bei der Brandbekämpfung. Es geht mir hierbei um den tatsächlichen Bedarf, nicht den geforderten Umfang. Wenn ich diese Überlegungen anstelle, und ich muß dies als EL im Einsatz jedesmal erneut aufgrund der genauen Lage, kann ich vermutlich in 80 % der Fälle nach der Abwägung nicht mehr dem Einsatz ohne Sicherheitstrupp anordnen.
Abschließend bin ich offen gestanden von dem (nicht nur hier anzutreffenden) Beharren auf der Möglichkeit, den Sicherheitstrupp wegzulassen, immer wieder überrascht. Die FwDv 7 ist in meinen Augen seit 2002 eine verläßliche Basis für den sicheren Einsatz geworden, auch wenn bestimmt Dinge (Notsignalgeber) nicht durchgesetzt werden konnten und ohne regelmäßige Übungen im Bereich des Atemschutznotfalls nötig sind um die Vorzüge der FwDv auch im Einsatz nutzen zu können. Ich riskiere meine Gesundheit für andere Leute, Tiere und Besitztümer, dieses Risiko muß aber so gering wie möglich gehalten werden. Deswegen bestehe ich auf Ausbildung (für alle, die mit mir eingesetzt werden können), Ausrüstung (entsprechend der Vorschriften), und eine Führung, die die Ausgangssituation so gestaltet, daß alles wie eine gut geölte Maschine ineinandergreift. Ich muß nicht über die Möglichkeit sprechen von Vorschriften abzuweichen, sonder darüber, wie man nicht in die Situation kommt es zu müssen. Menschenrettung ist unsere Aufgabe per Definition, gerade dafür brauche ich keine Ausnahmeregelung.
Carl Philipp Wrede
-alles meine Meinung-