Da Ihr dieses Thema durch dieaktuelle Meldung wieder vorgeholt habt, äußere ich mich auch mal dazu.
Zitat von Tinkerbell
Hallo an FF,RD,Bereitschaften,Pflegeheimen!
Ist Eure Evakuierungsstrategie lückenlos?
Dazu kann ich Euchfolgendes sagen:
Ich beschäftige mich inzwischen beruflich mit dem Thema Evakuierungskonzepte für Seniorenheime. Genauer gesagt, ich erstelle solche Konzepte für die Einrichtungen.
Dabei mache ich nicht den Job von Feuerwehr und 7 oder Rettungsdienst. Nein ein solches Haus hat genügend eigene Vorbereitungen zu treffen. An feuerwehr und Rettungsdienst kann man aus Sicht des heimes lediglich Fakten zur Kenntnis geben, damit diese sich dann vorbereiten für den Fall der Fälle.
Die Feuerwehr wird in 99% aller Fälle aus meiner Sicht völlig überfordert sein, ein Seniorenheim zu Evakuieren.
Wenn soetwas nachts in einer kleineren Einrichtung mit etwa 40 Bewohnern passiert, dann ist vom Haus gewöhnlich nur eine einzige Kraft vor Ort.
Bei einem Feuer bedeutet das, dass die FW sich nicht nur um das Feuer sondern vorrangig um die Evakuierung kümmern muss - und um die Folge der Evakuierung - die Betreuung.
Von einer Totalevakuierung bei 40 Bewohnern ausgehend, bedeutet dies, dass etwa 60 Mann nichts anderes machen als sich um die Evakuierung zu kümmern. Das sind auf die meisten Wehren bezogen etwa 3 - 4 Ortswehren. Dann ist noch kein einziger Meter Schlauch gelegt...
Wie ich auf die Zahl komme? Ganz einfach: Jeder Bewohner muss mit mindestens 1 Person - eventuell sogar mit 4 Personen ins Freie gebracht werden. Dort muss bei jedem Bewohner eine Kraft zur Betreuung bleiben.
Der Rettungsdienst wird gerade in der Anfangsphase nur mit zwei oder drei RTW vor Ort sein.
Jetzt kommt es (was ich auch bis vor kurzem nicht wusste): Wenn die Bewohner evakuiert sind, also das Gebäude verlassen haben und sich ihr gesundheitlicher Zustand nicht nachteilig verändert hat,
ist der Rettungsdienst nicht zuständig und wird nicht tätig.
Für die Betreuung ist das Heim zuständig. Ist kein Personal vor Ort oder nicht ausreichend, dann ist die Samtgemeinde als Gefahrenabwehrbehörde zuständig und diese übt ihre zuständigkeit durch die Feuerwehr aus.
Die Feuerwehr ist also zuständig.Auch kann die DRK-Bereitschaft hinzugezogen werden. Hierbei muss man aber auch wieder unterscheiden:
Ist es ein Notfall und die Bereitschaft agiert als Unterstützung des Rettungsdienstes oder geht es um die Betreuung, dann ist die Bereitschaft im Grunde genommen nichts anderes als ein vom Heim beauftragtes Unternehmen.
Jede Feuerwehr, die in Ihrem Zuständigkeitsbereich ein Seniorenheim oder ähnliches hat, sollte unbedingt mögliche Einsätze planen. Auch oder besonders dann wenn der Heimbetreiber sich keine oder wenig Gedanken um dieses Thema macht.
Meine Erfahrung ist folgende (Bestätigt von der heimaufsicht verschiedener Landkreise): Die wenigsten Heime haben sich Gedanken zu diesem Thema gemacht. Viele laden einmal im Jahr die Feuerwehr zur Besichtigung ein und glauben das reicht. Die Feuerwehr glaubt meist es reicht zu wissen, wo die Leute rauszuholen sind und wo Wasser herkommt.
Aber das reicht eben nicht. In einem Einsatz wird die Wehr merken, dass sie die ersten Kräfte stellt und das wesentlich mehr Personal erforderlich ist, als irgendjemand geglaubt hat.
Und dann gehen die Probleme erst los:
Es rücken mehr und mehr Einsatzkräfte an - teilweise mit Privatfahrzeugen. Dazu kommen nach und nach Angestellte des heimes und Angehörige der Bewohner. Es wird ein Chaos durch behindernde Fahrzeuge und durch unkoordinierte Personen geben...
Heime haben übrigens keine spezielle Vorschrift, sich über dieses Thema Gedanken machen zu müssen.
Wenn etwas passiert ist und jemand aufgrund mangelnder Vorplanung zu Schaden gekommen ist, gilt jedoch das BGB und die Fürsorgepflicht sowie die Allgemeinhaftung.
Ich für meinen Teil biete den heimen gegen Bezahlung ein Konzept an, welches eine Schnittstelle zu möglichen Konzepten der Feuerwehr hat (welche dieses natürlich selber erstellen muss).
Einige Heime in unserem Landkreis und in den Nachbarkreisen haben mich bereits beauftragt. Andere sagten, solange sie nicht dazu verpflichtet seien, gäben sie für sowas kein Geld aus.
Ein Heimleiter (der mir den Auftrag gab) beantwortete meine Frage, wie sein Konzept für den Fall einer Evakuierung aussehe mit den Worten: "Ich rufe 112 an."
Übrigens:
Wer will kann sich ja mal die Anlage ansehen, ein Flyer der an Heime verteilt wird / wurde.
Wenn eine Wehr möchte erzähle ich gern einmal bei Eurem Dienst etwas zu diesem Thema.
Die eine oder andere Wehr wird aber möglicherweise auch in nächster Zeit einmal offiziell von mir oder einem Kunden von mir (Heim) angesprochen werden.