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Dieses Thema hat 1 Antworten
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 Dienstgestaltung
eelser Offline

Pressewart FW SG Hemmoor (real)




Beiträge: 1.838

07.01.2017 23:57
Feuer Fitnesscenter Durchzündung Antworten

Am 30-12-2016 wurde die Feuerwehr Osnabrück zu einem Brand in eine Fitnesscenter gerufen. Dieser Einsatz verlief deutlich anders als erwartet. Vorbildlich die Aufarbeitung durch die Feuerwehr. Notwendige Erkenntnisse für Einsatz, Führung und Einsatz lassen sich daraus gewinnen.




Meine ersten Schlüsse:
Das eingesetzte Schlauchmaterial des Angriffstrupps im Innenangriff sollte höchsten Anforderungen genügen. Der Schlauchplatzer in dieser Situation war blöd. In anderen Situationen wäre er tödlich. Beim tödlichen Atemschutzunfall in Marne versagte dem Bericht nach ebenfalls ein Schlauch des SiTr
Die ersten 20 - 30 Meter, das erste Schlauchpaket, der erste StK sollte mit hochwertigem Schlauch der Leistungsstufe 3 gefüllt sein.

Dazu der DFV in seiner Fachempfehlung

Wir müssen fast immer mit Durchzündungen rechnen. Brandbekämpfung heißt Deckung nutzen, Wurfweite ausnutzen und überlegt handeln
Auch Sicherungsmaßnahmen von außen beeinhalten Gefahren denen wir zu begegnen haben.
Die vollständig angelegte PSA ist Bedingung.
Das Beherrschen unserer Ausrüstung (auch unter Streß und bei schlechter Sicht) sind zwingend erforderlich.
Wir müssen uns fragen (lassen) ob ein Innenangriff in einer Situation das Leben der eingesetzten Kameradinnen und Kameraden wert ist.Unser Ausbildung muss diesen Anforderungen Rechnung tragen. Ein AG ist nach einem Lehrgang eingewiesener Gerätebenutzer und kein einsatzbereites Angriffstruppmitglied.

Die Ausbildung am Standort und in - vorzugsweise feststoffbefeuerten - Realbrandausbildungsstätten ist zunächst mindestens für einen Atemschutzausbilkder pro Ortswehr zwingend notwendig. Die Einsatzübungen der Atemschutzgeräteträger müssen fordernd sein, um deren laufende Fort- und Weiterbildung zu gewährleisten.

Lasst ansonsten das Video auf euch wirken, und kommt immer gesund und erfolgreich von euren Einsätzen zurück.

________________________________________________
Es wäre schön, wenn die Menschen sich so benehmen würden, als seien wir alle aufeinander angewiesen.

eelser Offline

Pressewart FW SG Hemmoor (real)




Beiträge: 1.838

08.01.2017 00:53
#2 RE: Feuer Fitnesscenter Durchzündung Antworten

Gedanken des Einsatzleiters Jan Südmersen (mit ausdrücklicher Genehmigung hier wiedergegeben) dazu:

Webauftritt von Feuerwehrhandwerk

Zitat von Notiz auf der Facebookseite von Feuerwehrhandwerk

Der Unterschied
FEUERWEHRHANDWERK·MONTAG, 2. JANUAR 2017
Da war es dann. Das Feuer, auf das man so lange gewartet (wenn man jung und verwegen ist) oder das man gefürchtet hat (wenn man Verantwortung trägt und weiß was passieren kann). Ich kann es vorweg nehmen: Es ist gut gegangen. Keiner ernsthaft verletzt, Gebäude gerettet. Aber die kritischen 20 Minuten dieses Feuers wird keiner wohl so schnell vergessen. Allein deswegen nicht, weil sie gefilmt worden sind.
Dieser Einsatz und wie er abgelaufen ist hat eine lange Vorgeschichte. Es begann mit einem Besuch und einer Ausbildung in Revinge 1996, mit zwei kritischen Bränden in Berlin - bei einem davon wurden Kollegen schwer verletzt - und einer daraus resultierenden Abschnittsarbeit (“Flashover-Game over”). Es setzte sich fort mit einer Realbrandausbildung an der SouthTech Fire Academy in Florida unter der Anleitung von Wild Bill Gustin und ein paar wilden Feuern in Liberty City, dem Verschlingen der Bücher von Giselsson & Rosander Grimwood, etc. etc. Paul habe ich kennengelernt als er noch Haare hatte und “FireNerd” Lars als er noch nicht aussah wie ein Yeti. Ich habe mit Cimolino, Ridder, Reick, Gerhards, Stöhr, Fuchs und Feucht über Feuer ausmachen diskutiert, mit diversen Kollegen aus Düsseldorf, Kassel und Celle ihre neuen Flashover-Container eingefahren und seit 1999 hunderte von Feuerwehrleuten durch den Osnabrücker Container geschleust bzw. Sachen mit Feuer in Abbruchgebäuden gemacht, die ich hier nicht hinschreiben möchte. Es gibt trotzdem sicher viele Leute in der Wissenschaft, die mehr Ahnung haben in Sachen Brandverhalten haben. Es gibt auch sicher trotzdem noch erfahrenere Führungskräfte oder Realbrandausbilder, keine Frage. Aber die ganze Vorgeschichte lastet wie ein schwerer Ballast auf deinen Schultern wenn du zu so einem Einsatz fährst: So viele Fakten, Meinungen und Erfahrungen - aber kein klarer Fahrplan.
“Brennt Sauna in einem Fitnessclub”. Das Erste was einem einfällt: Verdammt, wie oft sind Kollegen bei so Scheiß-Saunabränden schon verletzt oder getötet werden. Noch mehr Druck im Nacken. Wir Führungsdienste teilen uns das auf: Einer orgelt und kümmert sich um die Kontrolle, ob der Club ganz leer ist; ich kümmer mich ums Feuer ausmachen. Der Angriffsweg durch das Gebäude hat der ersteintreffende Gruppenführer schon verworfen, er hat einen kürzeren Weg durch eine Außentür gefunden. Innen werden alle Türen zugemacht um die Ausbreitung von Rauch zu verhindern. Pulm eben. Stehen ja auch zig HighTech Fitnessdinger in einer gaaanz leicht verqualmten großen Halle. Auf einer glitschigen Terrasse neben dem Gebäude treffen ich auf die ersten beiden Angriffstrupps und einen Gruppenführer (s. Titelfoto). Irgendwer hat einen Rauchvorhang gesetzt (ich denke: Cool, da hat jemand an eine Antiventilationstaktik gedacht) sehe aber auch, dass zwei Scheiben daneben eingeschlagen sind (hat sich was mit Antivent). Aus dem Gebäude kommt dieser fiese weiße hellbeige Rauch, denn man im Container erzeugen kann, wenn man beim Vollfeuer im Brandraum die Türe zuschmeißt. Oh-oh. Die Sauna (4x4m, hü) soll auf der rechten Seite liegen - nach 4m Angriffsweg.
Risikoanalyse: GLUT warm bis heiß. Sonderfall Sauna: Superheiß. Gefährliches Feuer. Dazu kommt: Alles was da an brennbaren Gasen entfleucht sammelt sich auch irgendwie im Gebäude. Wir basteln uns eine Bombe.
Ziviles Leben ist nicht mehr gefährdet, das wichtigste ist also der Schutz der eigenen Kollegen. Sollen wir da überhaupt noch rein?
Auf der Haben-Seite: 4m Angriffsweg. Gute Gruppenführer, super Leute. Rennpferde. Wenn wir das Feuer von außen weichklopfen können (vorbereitender Außenangriff), dann müsste das recht sicher sein. Schlimmstenfalls faucht es einmal, aber wenn die Jungs den Bauch am Boden haben und nicht tiefer als 4m reingehen, ist das ok.
“FAUCH” Rumms. Scheiben splittern. Ich kriege Rauch ins Gesicht gepustet. Als sich dieser nach zwei Sekunden lichtet sehe ich die Trupps auf dem Boden liegen. Den GF hat es erwischt, er lehnt an der Hauswand und hustet. Ich gehe jeden ab. Ok? Ok? Gehts? Und na klar sagen alle das es ihnen gut geht. Die einen wollen kämpfen, die anderen nicht zugeben, dass sie sich nicht so richtig wohlfühlen. Der ersten dürfen das gleich, die beiden zweiteren werden mit leichten Druck Richtung RTW geschickt.
Ok. Das Feuer will also tanzen. Arbeitsannahme: Das meiste was im Gebäude an brennbaren Gasen war ist gerade abgefackelt, es müsste jetzt eigentlich sicher sein. Zwei Hohlstrahohre erstmal von außen. Attacke. 2 x 400 l/min müssten doch eine nachhaltige Wirkung haben. Wasserschaden ist sekundär, die Alternative ist nämlich “Parkplatz statt Fitnesscenter”. Es kann aber noch nicht losgehen. Zuerst fehlt der Sicherheitstrupp, dann haben wir einen Schlauchplatzer (umherfliegenden Glasscherben), dann ist das Tankwasser zu Ende bevor wir einen Hydranten aufgetaut haben und so weiter und so weiter. Grrr. Das Feuer bedankt sich mit einer schönen Schwerkraftströmung, Flammenzungen und Rollover. Optisch toll, taktisch frustrierend.

15843982_1303689319652125_4560239351861077200_o.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Wir warten auf (Weihnachten) Wasser.

Ein paar mal puffen auch kleine Rauchwolken aus den Fenster (mini-backdrafts). Aha. Noch Gase da, die durchzünden können. Ein Gruppenführer will aufgrund eines Missverständnisses einen Lüfter in Stellung bringen. Nee, bestimmt nicht. Einen Gasquirl will jetzt keiner haben.
Als wieder Wasser da ist kriegen die Trupps von mir jetzt die persönliche Order: Niedrigste Gangart. Sicherheitstrupp mit zweiten Rohr dahinter. Irgendwie entgeht mir aber, dass eine Schlauchleitung immer noch kaputt ist. Hat keine gravierenden Konsequenzen, ärgert mich aber. Hätte ich sehen müssen. Der Trupp krabbelt los (der gleiche Trupp, der bei der ersten Durchzündung schon an der Tür saß....) Nachher erzählt mir der Truppführer, dass es a) sauheiß war, es am Boden aber einigermaßen ging und er b) bis zur Sauna gekommen ist, auch für ein paar Sekunden Wasser geben konnte - und dann das zweite Mal: FAUCH. RUMMMMS - RUMMMS. Alles vernebelt. Schrecksekunde. Ich hatte intuitiv wohl mit irgendwas in der Art gerechnet und hatte mich in Deckung begeben. Auch alle anderen waren diesmal darauf vorbereitet. Alle zurück. Gebäude räumen. Gruppenführer: Vollzähligkeit prüfen.
Jetzt reichts. Wofür? Soll die Bude doch abfackeln. Wasserwerfer und Wenderohr. Nachbargebäude schützen. Gang zum ELW, mit dem Chef die Strategie abstimmen: Weitere Kräfte, Verpflegung etc etc. Grummel grummel. Aufgeben ist doof. Und alle werden lästern...

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Wir geben auf: Werfer, Wenderohr und wieder warten.

Auf dem Weg vom ELW zurück sehe ich, das kaum noch Rauch austritt. Ungläubig sehe ich, wie sich nur noch ein wenig lahmer Wasserdampf aus dem Gebäude schleicht.
Hä? Was ist denn das jetzt? Es sollte doch jetzt wohl richtig losgehen? Der letzte Angriff hat dem Feuer doch wohl das Genick gebrochen - wir haben noch eine Chance. Attacke! Und tatsächlich: Der nächste Trupp kann fast ungestört vorgehen und dem Feuer komplett den Garaus machen. Wie cool ist das denn? Ungläubiges Grinsen auch auf den Gesichtern meiner Kollegen: Wir haben es tatsächlich geschafft, wir sind die coolsten Typen der Welt. Mit einem Dauergrinsen verteile ich Schulterklopferei, frage nach onb alle ok sind und gucke nach, ob wir die Einsatzstellenhygiene verbessern können. Innerliches Abspannen. Eigentlich kann ich es immer noch nicht glauben. Ich gucke jetzt mal ins Gebäude rein und staune: Eingestürzte Mauern, heruntergefallen Zwischendecken, bauchige Trockenbauwände - die Folgen der zweiten Durchzündung. Ups. Ernsthafte Zweifel. War der zweite Angriffsversuch wirklich die richtige Entscheidung? Eigentlich gibt einem das Ergebnis ja recht (Gebäude gerettet, keiner ernsthaft verletzt) - aber hast du aus falschem Ehrgeiz nicht mit Leben und Gesundheit der Jungs gespielt? Auch jetzt noch, wo ich hier sitze und alles zum Xten Mal durchdenke habe ich Zweifel.
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Das sah eben noch anders aus.
Saugut war, dass ich die Kamera (Olympus Tough 4) vom ELW gleich zu Anfang auf einen Betonklotz gestellt habe - und die beiden Durchzündungen “on tape” sind. Zusammen mit ein paar Fakten und Skizzen habe ich am nächsten Morgen ein kleines Video zusammengestellt und ins Netz gestellt. Auf Facebook sind damit 300000 Menschen erreicht worden und auf Youtube ist es 60000 mal angeklickt worden:

<Link zum Video oben>

Natürlich war ich schon stolz auf unsere Leistung. Aber eigentlich wollte ich auch eine Diskussion über: was kann man besser, was anders machen. Bekommen habe ich bis dato viel Lob, ein wenig Klugscheißerei, ein paar komische Anmerkungen (wie kann man nur) aber noch keine richtige Diskussion. Ist vielleicht auch nicht einfach.

Meine Erkenntnisse, die vorher auch schon präsent waren, sich aber noch einmal deutlich bestätigt haben:
Es macht einen Unterschied, ob du in einem fast leeren Schiffscontainer eine fast lachhafte Brandlast (von Gasbefeuerung ganz zu schweigen) mit irgendwelchen abgefahrenen Pinsel-/Spritz-/Impulstechniken bekämpfst oder ob du ein fieses Feuer mit einer potentiell mörderischen Heizwert in einem fast unbekannten Gebäude ausmachen willst. Was da zählt ist ein wenig Technik, viel gesunder Feuerwehrverstand, ein wenig Mumm und ein gewaltiger Wasserhammer um dem Feuer kräftig die Fresse zu polieren.

Es macht einen Unterschied ob du Brandversuche unter Laborbedingungen bzw. Realbrandausbildung machst - im “realen Leben” kommen noch unendlich viele Faktoren und Stressoren, ein Übermaß an unwichtigen Informationen und ein Mangel an wichtigen Informationen dazu, so dass du an vielen Stellen gezwungen bist, neben Führungskreislauf, Merkwörtern und Taktikgrundsätzen auch aus dem Bauch oder aus deiner Erfahrung heraus Entscheidungen zu treffen.

Weniger ist oft mehr. Antiventilation, 3D-Löschangriff, CAFS, Shark, Transitional Attack, PPA, PPV qualifizierter Außenangriff: Alles gut und schön. Und sicher gibt es für jede Technik auch eine Situation, in der sie ideal ist. Aber man wird die seltenst erkennen. Und dann müssen deine Leute auch noch genau wissen, was du willst und was sie machen sollen. Klar gibt es da draußen jede Menge Klugscheißer, die mal ne Woche in Schweden im Container gesessen haben und jetzt als Feuerwehr-Messias durch die Lande tingeln. (Ich ja auch ;-). Aber wie viele von denen haben reale Feuer so ausgemacht? Nicht im Container oder im Computer? Wie viele sind so selbstkritisch genug um sich nicht immer exotischere Techniken auszudenken oder abzugucken sondern Strategien zu entwickeln, die auch dem leidlich ausgebildeten Kollegen in diesen verdammt komplexen Situationen ein Handlungsinstrumentarium zu geben, mit denen man einigermaßen effektiv und sicher arbeiten kann?
Den wesentlichste Unterschied machen aber die Menschen, mit denen du zusammenarbeitest. Wenn sie nicht einigermaßen gut ausgebildet sind, wenn sie dir nicht vertrauen, wenn sie keinen Biss haben, wenn sie nicht auch ungefähr so irre sind wie du: Dann kannst du dir bei so einem Feuer den Hintern aufreißen und es wird trotzdem grandios in die Hose gehen. Sie sind der Unterschied bei sooo vielen Dingen. Was kann dieser Job - insbesondere mit solchen Typen - doch für ein Privileg sein.

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Der wichtigste Unterschied: Gute Leute.
Das stumme Zunicken (kombiniert mit einem leichten Grinsen), was ich an diesem Abend mehrfach empfangen durfte ist für mich mehr als ein “Kleiner Sieg”. Es ist Ansporn. Niemals nie darf einer von ihnen verletzt werden, nur weil ich keine Ahnung habe.

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Es wäre schön, wenn die Menschen sich so benehmen würden, als seien wir alle aufeinander angewiesen.

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