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Dieses Thema hat 48 Antworten
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Wettergequassel
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Sturmwetter Offline

Meteorologe (real)

Beiträge: 119

16.04.2006 04:31
Tornados in Deutschland Antworten

Hallo zusammen,

ich hatte es ja schon angekündigt, nun möchte ich es - soweit es die Zeit erlaubt - auch wahr machen: Einige Dinge über Tornados in Deutschland möchte ich klarstellen, da leider noch viel zu wenig über diese Naturgewalt bekannt ist.

Zunächst möchte ich mit einigen Vorurteilen aufräumen, die ständig durch die Medien geistern:

- Die meisten Tornados (mehr als 80 Prozent) sind schwach, egal ob in den USA oder bei uns.

- Egal ob Tornado, Windhose, Wasserhose (= Tornado über Wasser), alles bezeichnet dasselbe Phänomen. Da die Medien in der Vergangenheit oft so berichtet haben, dass es in den USA nur die starken Tornados gibt und bei uns nur harmlose Windhosen, sollten wir am besten generell von Tornados sprechen.

- Die Zahl der Tornados in Deutschland ist noch völlig offen. Ich denke, man kann von 20 bis 40 ausgehen mit einer gewissen Dunkelziffer. Für eine genaue Statistik fehlen einfach die Zahlen, die Tornadoforschung in Deutschland hat erst Ende der 1990er Jahre begonnen. Den ersten stärkeren Tornado habe ich im Sommer 1993 in Schleswig-Holstein untersucht, interessiert hat das damals kaum jemand. Als ich 10 Jahre danach der örtlichen Zeitung eine Story anbot, haben die gleich eine ganze Seite dazu gebracht. Daran erkennt man schön, wie sehr das Interesse gestiegen ist. Inzwischen werden Tornados bei uns systematisch erfasst, auch wenn uns immer noch einige pro Jahr durch die Lappen gehen.

- Die Klimaerwärmung ist unbestritten, aber wegen der fehlenden verlässlichen Statistik lassen sich überhaupt noch keine Aussagen darüber machen, dass sie sich schon auf die Zahl der Tornados auswirkt.

Sehr schwierig ist noch die Vorhersage von Tornados. Man erkennt inzwischen gut die Wetterlage, die einen Tornado hervorbringen kann. Sie entstehen ja im Bereich von Schauern und Gewittern, deren Aufbau inzwischen ganz gut verstanden ist. Tornados kann man zwar nicht in Satellitenbildern erkennen, aber verdächtige Gewitterzellen lassen sich teilweise auf Radarbildern ausmachen. Der Vorhersagbarkeit sind damit noch Grenzen gesetzt.

Genauso wichtig wie die Vorhersage von Tornados ist die nachträgliche Analyse, mit der ich mich sehr viel beschäftige. Zwei Dinge gilt es herauszubekommen: War es tatsächlich ein Tornado? Und wie stark war der Tornado, wenn es denn einer war? Tritt ein Tornado tagsüber auf, wird es mittlerweile im Handy- und Digicamzeitalter oft fotografiert oder gefilmt. Daher gibt es inzwischen hunderte Tornadofotos aus Deutschland und sogar einige sehr beeindruckende Videoaufnahmen. Dazu befragt man wie ein Kriminalkommissar Augenzeugen, die allerdings wie bei Unfällen oder Verbrechen sich ab und an widersprechen. Aus dem Aussehen des Tornados kann man übrigens überhaupt nicht auf die Stärke schließen. Ich habe einen F3 erlebt, den man kaum erkennen konnte und auch einen F0, der nahezu perfekt aussah. Gibt es weder Fotos noch Augenzeugen (z.B. nachts), dann geht die Spurensuche los. Alle Schäden werden aufgenommen und kartiert. Die Art der Schäden und ihre Anordnung gibt dann Hinweise, ob es sich um einen Tornado handelte. Manchmal sind die Schäden so eindeutig, dass auf den ersten Blick feststeht, dass es ein Tornado war, manchmal lässt sich ein Fall auch nach Jahren nicht klären. Immerhin steigt die Aufklärungsquote deutlich an gegenüber früher. An Hand der Schäden lässt sich der Tornado dann in eine der sechs Klassen auf der Fujita-Skala von F0 (<120 km/h) bis F5 (ab ca. 420 km/h) einstufen. F0 und F1 bezeichnet man auch als schwach, F2 und F3 sind starke Tornados und ab F4 werden sie als verheerend bezeichnet. Am 27. März hatten wir nach den bisherigen Erkenntnissen mindestens 3 F2-Fälle. Bisher dachte man, dass so viele F2+ Tornados im ganzen Jahr vorkommen - wenn überhaupt. F3 (über 250 km/h) hatten wir zuletzt zwei im Jahre 2004, den bisher letzten registrierten F4 im Jahre 1968 in Pforzheim und auch F5 gab es schon in Deutschland. Zu der aktuellen Analyse kommt noch die Recherche weit zurückliegender Fälle, die sehr mühsam ist.

So, ich hoffe, ich habe ein wenig zur Aufklärung beigetragen. Wenn Ihr Fragen habt, stellt sie ruhig. Ich schaue jeden Tag mal rein.

Österliche Grüße,

Sturmwetter

http://www.tornadoliste.de

Mini-FFD ( Gast )
Beiträge:

16.04.2006 08:10
#2 RE: Tornados in Deutschland Antworten

Moin moin und frohe Ostern,

also Hut ab!

Sehr interessant zu lesen dieser Beitrag!

Ist echt ne Bereicherung für dieses Forum. Ich zumindest finde bislang alles sehr informativ und dabei noch verständlich erklärt. -Weiter so!



Gruß
Mini

Snüffelstück ( Gast )
Beiträge:

16.04.2006 10:12
#3 RE: Tornados in Deutschland Antworten
Moin!

Das ist aber genau so wie es auch andere Wissenschaftler sagen. Wir hatten in der Vergangenheit schon immer Tornados, die nur entweder keiner wahrgenommen hat oder die nicht Bildlich eingefangen wurden. Heute spielen nach meiner Meinung übrigens die Medien auch eine große Rolle! Jeder hört über dieses Thema was und will dazu Beitragen! Ob Sensationslust oder was auch immer eine Rolle spielt. Genau das sehen wir doch auch bei anderen Themen wie Schweinepest oder Vogelgrippe! Ist es für die Medien aktuell, gibt es auch viele Meldungen. Läßt das in den Medien nach wird auch weniger gemeldet! Dennoch möchte ich hier noch betonen das es durchaus ein sehr Interessantes Thema ist und die Schäden dieser Naturgewalt durchaus hoch sein können.
Mein Opa der sein Leben viel auf der See verbracht hat meinte schon damals zu mir, dass es nicht Ungewöhnlich ist, hier in Deutschland Tornados zu haben. Er hat sie ob auf Wasser oder zu Land öfter beobachten können. Das ist ja ein Zeichen dafür das unsere Technik, mit der wir Leben sich auch dort enorm verbessert hat. Jeder kann sie jederzeit Fotografieren und man kann Gefahrenzonen über Satelit erkennen. So ist es doch auch mit der Volkskrankheit Krebs!! Früher sind die Leute nicht alt geworden und mit unerkannten Krankheiten verstorben. Heute erkennt man Krankheiten und Krebs früh, versucht sie zu behandeln und man weiß die Todessache. Wir empfinden aber das es mehr Krebspatienten gibt!


Wie dem auch immer... Ich finde es auch gut das es hier ein mann mit solchem Wissen wie Sturmwetter gibt. Das kann noch sehr Lehrreich für uns werden.
Noch etwas an die Hemmoorer und Umgebung!! Erinnert ihr Euch noch an den Tornado (Das war auch einer) der vor ein paar Jahren seine Schneise durch Wohlenbeck und Umgebung zog?! Der hat so eine Wucht das große Fenster zerbrachen.... Erinnert Euch wie heftig der war.... Bäume und Häuser waren stark beschädigt!


Aber heute Feiern wir erstmal Ostern!!!
frohes Fest!



Wir vom Rettungsdienst machen noch Hausbesuche ohne Praxisgebühr!

Sturmwetter Offline

Meteorologe (real)

Beiträge: 119

16.04.2006 13:24
#4 RE: Tornados in Deutschland Antworten

Moin,

> Noch etwas an die Hemmoorer und Umgebung!! Erinnert ihr Euch noch an den Tornado (Das war auch einer) der vor
> ein paar Jahren seine Schneise durch Wohlenbeck und Umgebung zog?! Der hat so eine Wucht das große Fenster
> zerbrachen.... Erinnert Euch wie heftig der war.... Bäume und Häuser waren stark beschädigt!

Wann war denn das genau (Datum) und wo kann man mehr darüber finden? Das Ereignis ist mir noch nicht bekannt.

Richtig, früher gab es eben auch Tornados bei uns, nur muss man das den Medien und der Öffentlichkeit auch klar machen. Tornados sind etwas ganz normales in Deutschland.

Gruß, Sturmwetter

Funki ( Gast )
Beiträge:

16.04.2006 15:55
#5 RE: Tornados in Deutschland Antworten

ich glaube das war 2004. Schaue demnächst mal genau nach denn ich war dort selbst mit beim Einsatz dabei im Raum Klint waren damals auch viele Bäume wie Streichhölzer umgeknickt.

Blaulicht Offline

Administrator

Beiträge: -990157

16.04.2006 16:46
#6 RE: Tornados in Deutschland Antworten
Genau zog dieser Sturm / Tornado von Wohlenbeck kommend eine "Straße" über Hemmoor-Basbeck, die B73 querend richtung Stade. Schwerpunkt war Kleinwörden (Ortsteil von Hechthausen). In Kleinwörden wurden nach meiner Erinnerung über 70 Bäume entwurzelt - und zwar Eichen der ganz großen Sorte. Das ganze war morgens kurz nach dem Hellwerden - da wurde es wieder absolut dunkel und dann passierte es. Ich hielt mich seinerzeit etwa einen Kilometer von der "Schadenstrecke" entfernt auf und habe nicht viel mehr als Windstärke 8 festgestellt (augenscheinlich), kurz danach ging es in den Einsatz der etliche Stunden dauerte. Wir waren alle sehr erstaunt über die unglaubliche Gewalt die gewirkt hatte. Ich werde mal das genaue Datum raussuchen.
Blaulicht

Der Admin stellt manche Fragen nur zur Belebung der Diskussion.

Sturmwetter Offline

Meteorologe (real)

Beiträge: 119

16.04.2006 16:54
#7 RE: Tornados in Deutschland Antworten

Hallo zusammen,

dann war das bestimmt am 09. Juni 2004, als gegen 07:15 Uhr ein Tornado bei Wasserkrug im Landkreis Stade auftrat:

http://www.naturgewalten.de/040609wasserkrug.htm

Schaut Euch mal diese brachiale Gewalt an, mit der die Bäume "abrasiert" wurden. Das war immerhin ein F2. Jetzt stellt sich die Frage, obes da einen Zusammenhang gibt, ich beschäftige mich mal am Abend mit diesem Fall. Danke schon mal.

Gruß, Sturmwetter

Blaulicht Offline

Administrator

Beiträge: -990157

16.04.2006 16:59
#8 RE: Tornados in Deutschland Antworten

Mit diesem Datum als Anhaltspunkt kann ich wesentlich schneller und einfacher suchen - aber wohl erst am Dienstag.

Blaulicht




Der Admin stellt manche Fragen nur zur Belebung der Diskussion.

Funki ( Gast )
Beiträge:

16.04.2006 17:59
#9 RE: Tornados in Deutschland Antworten

Das ist genau richtig wie es Blaulicht beschreibt und es war damals Kleinwörden und Basbeck Mühlenreihe nicht Klint. Hatte ich falsch interpretiert.
In Kleinwörden waren wir im Einsatz da sah es damals schlimm aus. Auch Stromleitungen waren zerrissen und lagen einfach auf der Strasse. Unser ELW hat damals die Einsätze koordiniert. Hat etliche Stunden gedauert. Vorher gingen heftige Niederschläge im Raum Hemmoor runter da waren wir bereits mit leller lentzen beschäftigt. Dann ging es nach Kleinwörden

Funki ( Gast )
Beiträge:

16.04.2006 18:11
#10 RE: Tornados in Deutschland Antworten
Im Archiv von http://www.ostemarsch.de habe ich folgenden Text gefunden:
Bahnverkehr war lahmgelegt.
13.02.2005
Stundenlang raste am Sonnabend das Sturmtief "Ulf" durch die Niederelbe Region. Die Bahnsrecke Stade Hamburg blieb für mehrere Stunden lang gesperrt nachdem ein Baum auf die Oberleitung gestürzt war. Allein bei den Rettungsdiensten im Landkreis Stade liefen mehr als 70 Notrufe ein.
Der Text geht dann noch weiter worin geschrieben steht das bei Unfällen durch den Sturm bundesweit mehrere Menschen ums Leben kamen Polizei, Feuerwehren waren im Dauereinsatz weil der Sturm mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 100 Stundenkilometer Bäume umknickte wie Streichhölzer, Dächer abdeckte und sogar Autos umblies.

Ich denke mal das es sich da um diesen Sturm handelt, den wir hier meinen.
Gruß Funki

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